1983-Mord an Sabine Rahn
Verfasst: Mi 4. Nov 2015, 21:32
Heidenheim
32 Jahre alter Mordfall: Wer tötete Sabine Rahn?
2016 jährt sich der gewaltsame Tod Maria Bögerls zum sechsten Mal, doch ist dies in Heidenheim nicht der einzige Mord ohne Mörder. Nach wie vor unaufgeklärt ist auch der 32 Jahre zurückliegende Mord an der damals 18-jährigen Sabine Rahn: Ein alter Fall, der jetzt neu aufgerollt wird.
ERWIN BACHMANN | 26.10.2015
Wurde vor 32 Jahren von einem Unbekannten getötet: Sabine Rahn.
Foto: Archiv Bild 1 von 2
Wurde vor 32 Jahren von einem Unbekannten getötet: Sabine Rahn.
Lebt der bis heute unerkannt gebliebene Mörder nach wie vor mitten unter uns? Die Frage quält nicht nur die Angehörigen der jungen Frau aus Schnaitheim, sondern bewegt bis heute im Vorort viele Menschen und hat auch die Strafverfolgungsbehörden zu keinem Zeitpunkt losgelassen. Mord verjährt nicht, wird in juristischer Hinsicht erst nach 100 Jahren wirklich vergessen, und so sind die Ermittlungen nie eingestellt worden.
Die Ermittlungen von damals füllen 20 Leitz-Ordner. Dass dieser schon etwas angestaubte Aktenbestand jetzt von der in Ulm angesiedelten Kriminalinspektion I aus dem Regal geholt worden ist, hat mit dem nach Umsetzung der Polizeireform gefassten Beschluss zu tun, ungelöste Kapitalverbrechen im neu zugeschnittenen Zuständigkeitsbereich noch einmal anzusehen und die Chancen einer späten Aufklärung abzuwägen.
Der Fall Sabine Rahn erschien dabei am erfolgversprechendsten. Zum einen stellte man fest, dass die mehr als 30 Jahre zurückliegenden Ermittlungen auch nach heutigem Standard sehr gut geführt worden sind, so dass eine Zusammenführung, Verknüpfung und Auswertung aller Daten nach moderner Methodik lohnenswert erscheint. Zum anderen steht fest, dass man mit einer 1983 am Tatort gefundenen DNA-Spur noch heute arbeiten kann.
Doch zurück zur nie geschlossenen Akte. Die beginnt am 11. März 1983 und damit an jenem Tag, als die damals 18 Jahre alte Sabine Rahn die elterliche Wohnung in Schnaitheim verlassen hatte, um sich mit Freundinnen in der Wilhelmstraße in Heidenheim in einer Disco namens „Coupé“ zu treffen. Das war gegen 20.30 Uhr. Schon zu diesem Zeitpunkt verlieren sich die Spuren im bis heute bestehenden Dunkel eines Sexualverbrechens und Tötungsdelikts. Die grausame Entdeckung machten Kinder am folgenden Montag, als sie beim Spielen in einer Fichtenschonung bei der Keltenschanze an östlichen Ortsrand von Nattheim auf die vollständig bekleidete Leiche der jungen Schwimmmeistergehilfin stießen.
Die Frage, wo, wann und von wem Sabine Rahn damals missbraucht und dann erwürgt oder stranguliert worden ist, hat mittlerweile schon Generationen von Kriminalisten und Staatsanwälten bewegt. Was man weiß: Es war die Zeit, als junge Leute noch oft per Anhalter unterwegs waren. Sabine Rahn hatte da offenbar keine Ausnahme gemacht, doch geht man bis heute davon aus, dass die Schnaitheimerin auf dem Weg nach Heidenheim wohl nicht zu einem völlig Fremden ins Auto gestiegen ist. Von Anfang an wurde hinter dem rätselhaften Mord eine wie auch immer geartete Beziehungstat vermutet.
Der Aufwand, dem Täter auf die Spur zu kommen, war nach damaligen Verhältnissen sehr groß. Eine 20-köpfige Sonderkommission war 500 Spuren nachgegangen, hatte Reifenprofile am Tatort vermessen, Faserspuren analysiert. Über Sperma-Untersuchungen war es gelungen, die Blutgruppe des Täters zu entschlüsseln, worauf Blutproben von rund 110 mit dem Opfer in Verbindung stehenden Männern unter die Lupe genommen worden waren.
Damit waren die kriminalistischen Möglichkeiten fürs Erste ausgereizt, doch 1995 machte sich die Staatsanwaltschaft Ellwangen erneut an den Fall. Zwölf Jahre nach dem Verbrechen wandten sich die Ermittler wieder an die Öffentlichkeit, doch die damit verbundene Hoffnung, auf diesem Weg den Täter und Mitwisser zu ermuntern, ihr Gewissen zu erleichtern, bis dato verschwiegene Hinweise zu geben, erfüllte sich nicht.
Parallel dazu machte man sich daran, die gesicherte Spurenlage unter dem Aspekt der inzwischen moderner gewordenen Kriminaltechnik neu zu beleuchten. Knapp 50 Blutproben wurden zur DNA-Auswertung gebracht, um über den genetischen Fingerabdruck den erhofften Fingerzeig zu bekommen. Vergeblich, doch nicht ganz umsonst: Immerhin gelang es auf diesem Weg, einen damals indes nur vagen Tatverdacht auszuräumen.
Bis heute sind die mutmaßlich vom Täter gesetzten Spuren in einer zentralen Datenbank gespeichert, die auch die Schlüsselstelle für die jetzt neu eingeleitete Ermittlungsrunde bildet. Bei dem nunmehr dritten Anlauf setzt die kriminalistische Hartnäckigkeit auf eine inzwischen weiter verbesserte DNA-Analytik und auf ein Ermittlungsinstrument, das auch im Mordfall Maria Bögerl eingesetzt worden ist.
Wie Ulms Polizeisprecher Wolfgang Jürgens auf Anfrage mitteilte, sind bereits zwei richterliche Beschlüsse ergangen, die es erlaubt haben, einen fest umrissenen Personenkreis zur freiwilligen Abgabe einer Speichelprobe aufzufordern. Die erste Gentest-Runde war sehr klein, lag nach Polizeiangaben im niedrigen zweistelligen Bereich und hat kein Ergebnis gebracht. Darauf erweiterte man die Zielgruppe auf eine im niedrigen dreistelligen Bereich liegende Zahl von Männern.
Diese DNA-Reihenuntersuchung betrifft nach unseren Informationen etwas weniger als 200 Männer und ist derzeit noch nicht abgeschlossen – ob es Testverweigerer gibt und ob sie am Ende zur zwangsweisen Abgabe gezwungen werden, ist offen.
Fest steht eines: Geht man davon aus, dass der Täter mit dem Auto unterwegs war, muss er heute, wenn er denn noch lebt, mindestens 50 Jahre alt sein.
http://www.swp.de/heidenheim/lokales/he ... 93,3501194
32 Jahre alter Mordfall: Wer tötete Sabine Rahn?
2016 jährt sich der gewaltsame Tod Maria Bögerls zum sechsten Mal, doch ist dies in Heidenheim nicht der einzige Mord ohne Mörder. Nach wie vor unaufgeklärt ist auch der 32 Jahre zurückliegende Mord an der damals 18-jährigen Sabine Rahn: Ein alter Fall, der jetzt neu aufgerollt wird.
ERWIN BACHMANN | 26.10.2015
Wurde vor 32 Jahren von einem Unbekannten getötet: Sabine Rahn.
Foto: Archiv Bild 1 von 2
Wurde vor 32 Jahren von einem Unbekannten getötet: Sabine Rahn.
Lebt der bis heute unerkannt gebliebene Mörder nach wie vor mitten unter uns? Die Frage quält nicht nur die Angehörigen der jungen Frau aus Schnaitheim, sondern bewegt bis heute im Vorort viele Menschen und hat auch die Strafverfolgungsbehörden zu keinem Zeitpunkt losgelassen. Mord verjährt nicht, wird in juristischer Hinsicht erst nach 100 Jahren wirklich vergessen, und so sind die Ermittlungen nie eingestellt worden.
Die Ermittlungen von damals füllen 20 Leitz-Ordner. Dass dieser schon etwas angestaubte Aktenbestand jetzt von der in Ulm angesiedelten Kriminalinspektion I aus dem Regal geholt worden ist, hat mit dem nach Umsetzung der Polizeireform gefassten Beschluss zu tun, ungelöste Kapitalverbrechen im neu zugeschnittenen Zuständigkeitsbereich noch einmal anzusehen und die Chancen einer späten Aufklärung abzuwägen.
Der Fall Sabine Rahn erschien dabei am erfolgversprechendsten. Zum einen stellte man fest, dass die mehr als 30 Jahre zurückliegenden Ermittlungen auch nach heutigem Standard sehr gut geführt worden sind, so dass eine Zusammenführung, Verknüpfung und Auswertung aller Daten nach moderner Methodik lohnenswert erscheint. Zum anderen steht fest, dass man mit einer 1983 am Tatort gefundenen DNA-Spur noch heute arbeiten kann.
Doch zurück zur nie geschlossenen Akte. Die beginnt am 11. März 1983 und damit an jenem Tag, als die damals 18 Jahre alte Sabine Rahn die elterliche Wohnung in Schnaitheim verlassen hatte, um sich mit Freundinnen in der Wilhelmstraße in Heidenheim in einer Disco namens „Coupé“ zu treffen. Das war gegen 20.30 Uhr. Schon zu diesem Zeitpunkt verlieren sich die Spuren im bis heute bestehenden Dunkel eines Sexualverbrechens und Tötungsdelikts. Die grausame Entdeckung machten Kinder am folgenden Montag, als sie beim Spielen in einer Fichtenschonung bei der Keltenschanze an östlichen Ortsrand von Nattheim auf die vollständig bekleidete Leiche der jungen Schwimmmeistergehilfin stießen.
Die Frage, wo, wann und von wem Sabine Rahn damals missbraucht und dann erwürgt oder stranguliert worden ist, hat mittlerweile schon Generationen von Kriminalisten und Staatsanwälten bewegt. Was man weiß: Es war die Zeit, als junge Leute noch oft per Anhalter unterwegs waren. Sabine Rahn hatte da offenbar keine Ausnahme gemacht, doch geht man bis heute davon aus, dass die Schnaitheimerin auf dem Weg nach Heidenheim wohl nicht zu einem völlig Fremden ins Auto gestiegen ist. Von Anfang an wurde hinter dem rätselhaften Mord eine wie auch immer geartete Beziehungstat vermutet.
Der Aufwand, dem Täter auf die Spur zu kommen, war nach damaligen Verhältnissen sehr groß. Eine 20-köpfige Sonderkommission war 500 Spuren nachgegangen, hatte Reifenprofile am Tatort vermessen, Faserspuren analysiert. Über Sperma-Untersuchungen war es gelungen, die Blutgruppe des Täters zu entschlüsseln, worauf Blutproben von rund 110 mit dem Opfer in Verbindung stehenden Männern unter die Lupe genommen worden waren.
Damit waren die kriminalistischen Möglichkeiten fürs Erste ausgereizt, doch 1995 machte sich die Staatsanwaltschaft Ellwangen erneut an den Fall. Zwölf Jahre nach dem Verbrechen wandten sich die Ermittler wieder an die Öffentlichkeit, doch die damit verbundene Hoffnung, auf diesem Weg den Täter und Mitwisser zu ermuntern, ihr Gewissen zu erleichtern, bis dato verschwiegene Hinweise zu geben, erfüllte sich nicht.
Parallel dazu machte man sich daran, die gesicherte Spurenlage unter dem Aspekt der inzwischen moderner gewordenen Kriminaltechnik neu zu beleuchten. Knapp 50 Blutproben wurden zur DNA-Auswertung gebracht, um über den genetischen Fingerabdruck den erhofften Fingerzeig zu bekommen. Vergeblich, doch nicht ganz umsonst: Immerhin gelang es auf diesem Weg, einen damals indes nur vagen Tatverdacht auszuräumen.
Bis heute sind die mutmaßlich vom Täter gesetzten Spuren in einer zentralen Datenbank gespeichert, die auch die Schlüsselstelle für die jetzt neu eingeleitete Ermittlungsrunde bildet. Bei dem nunmehr dritten Anlauf setzt die kriminalistische Hartnäckigkeit auf eine inzwischen weiter verbesserte DNA-Analytik und auf ein Ermittlungsinstrument, das auch im Mordfall Maria Bögerl eingesetzt worden ist.
Wie Ulms Polizeisprecher Wolfgang Jürgens auf Anfrage mitteilte, sind bereits zwei richterliche Beschlüsse ergangen, die es erlaubt haben, einen fest umrissenen Personenkreis zur freiwilligen Abgabe einer Speichelprobe aufzufordern. Die erste Gentest-Runde war sehr klein, lag nach Polizeiangaben im niedrigen zweistelligen Bereich und hat kein Ergebnis gebracht. Darauf erweiterte man die Zielgruppe auf eine im niedrigen dreistelligen Bereich liegende Zahl von Männern.
Diese DNA-Reihenuntersuchung betrifft nach unseren Informationen etwas weniger als 200 Männer und ist derzeit noch nicht abgeschlossen – ob es Testverweigerer gibt und ob sie am Ende zur zwangsweisen Abgabe gezwungen werden, ist offen.
Fest steht eines: Geht man davon aus, dass der Täter mit dem Auto unterwegs war, muss er heute, wenn er denn noch lebt, mindestens 50 Jahre alt sein.
http://www.swp.de/heidenheim/lokales/he ... 93,3501194